3.8 Lyme-Borreliose

Definition

Die Lyme-Borreliose ist eine durch Zeckenbiß (in Mitteleuropa lxodes ricinus) übertragene und durch Borrelia burgdorferi ausgelöste Multisystemerkrankung. Die verschiedenen Manifestationen der Lyme-Borreliose werden drei Stadien zugeordnet (Tabelle 1), die durch symptomfreie Intervalle voneinander getrennt auftreten oder auch fließend ineinander übergehen können. Individuell kommt es zu unterschiedlichen Kombinationen dieser Krankheitserscheinungen bzw. Stadien, oft auch nur zu einer einzigen Organbeteiligung. Die Lyme-Arthritis tritt in der Regel wenige Monate nach der Infektion auf (Stadium 3), die Latenzzeit kann bis zu zwei Jahre betragen. Ihre charakteristischen klinischen Symptome sind in Tabelle 2 dargestellt.
 
Tabelle 1. Stadien der Lyme-Borreliose
Frühmanifestationen 
Stadium I (lokal) Stadium II (disseminiert)
Spätmanifetationen 
Stadium III (chronisch)
nach Tagen  >> Wochen >>> Monaten       >>>>           Jahren
Erythema migrans  
           Borrelien Lymphozytom 
                     Allgemeinsymptome 
        Meningopolyneuritis  
        Enzephalitis, Myelitis 
        Perimyokarditits 
        Konjunktivitis, Uveitis 
        Papillitis, Panophthalmie 
        Myalgien, Myositis 
        Arthralgien, Enthesopathien 
                                   Arthritis
 
 

Chronische Encephalomyelitis 
Polyneuropathie 
Kardiomyopathie 
Keratitis 
 
 
 

(intermittierend >> chronisch) 
Acrodermatitis chronica atrophicans

Tabelle 2. Klinische Kennzeichen der Lyme-Arthritis
   
Verlauf 
Befallsmuster
intermittierend, selten chronisch 
Mon- oder Oligoarthritis 
am häufigsten Befall des Kniegelenkes 
(meist massiver gelenkerguß, jedoch 
wenig Schmerzen, oft Baker-Zysten) 
sehr selten polyartikulär (eher asymmetrisch) 
Daktylitis ("Wurstfinger" oder "Wurstzehen") 
Enthesopathie (Fersenschwellung)
 

Diagnostische Kriterien

International akzeptierte validierte Kriterien existieren nicht.
 
Die Diagnose einer Lyme-Borreliose kann als gesichert angesehen werden, wenn folgende Kriterien (Falldefinition) erfüllt sind: 

1. Klinische Symptome typisch für oder vereinbar mit Lyme-Borreliose 

  • Erythema migrans, Borrelien-Lymphozytom (Lymphadenosis cutis 
  • benigna), Akrodermatitis chronica atrophicans 
  • Meningopolyneuritis, Myelitis, Enzephalitis 
  • Perimyokarditis, Kardiomyopathie 
  • Keratitis, Uveitis, Papillitis, Panophthalmie 
  • Arthritis (Arthralgien), Enthesopathie 
  • Myositis (Myalgien) 
  • Hepatitis.
2. Nachweis einer Infektion mit Borrelia burgdorferi 
  • Nachweis spezifischer Antikörper gegen Borrelia burgdorferi (IgG, IgM, IgA)
  • (Erregernachweis) 
3. Ausschluß- (Differential-) Diagnostik auf Symptomebene 
Alle drei Kriterien müssen erfüllt sein.

Bemerkungen

Erregerdiagnostik

Der Nachweis der Infektion mit Borrelia burgdorferi in der Synovialflüssigkeit oder im Blut gelingt mit Methoden der Bakterienkultur (aufwendig) oder mikroskopisch nur ausnahmsweise (diagnostisch nicht sinnvoll!). Der Nachweis von Erreger-DNS aus Synovialflüssigkeit, Blut oder Urin (Oligonukleotidhybridisierung nach PCR-Anreicherung) ist keine diagnostische Routinemethode. Die Infektion wird durch die Identifizierung spezifischer Antikörper im Serum nachgewiesen. Positive Resultate im Screeningtest (Immunfluoreszenztest, ELISA) sollten spezifiziert werden (ELISA mit gereinigten oder rekombinanten Antigenen; Immunoblot) um falsch positive (nicht erregerspezifische) Reaktionen nach Möglichkeit auszuschließen (siehe Kapitel 1.4). Borrelien-spezifische IgM-Antikörper kommen praktisch nur in der Frühphase der Infektion vor. In dieser Krankheitsphase können Borrelien-spezifische Antikörper fehlen. Die Diagnose einer Lyme-Borreliose ist dann aufgrund der Zeckenstichanamnese in Verbindung mit dem typischen Befund des Erythema migrans sehr wahrscheinlich. IgG-Antikörper sind im Stadium II und III regelmäßig (über 95 %) und persistierend nachweisbar. In Abhängigkeit von der Exposition (regional, saisonal, beruflich) finden sich unterschiedlich häufig erhöhte Borrelien-Antikörper-Titer. Serologische Befunde sind daher nur in Verbindung mit einer typischen klinischen Symptomatik und nach Ausschluß möglicher Differentialdiagnosen verwertbar.

Differentialdiagnostik

Die Differentialdiagnostik der Lyme-Arthritis unter den Aspekten Beginn, Verlauf und Befallsmuster möglicher Gelenkerscheinungen ist in Tabelle 3 dargestellt.

Tabelle 3. Differentialdiagnostik der Lyme-Arthritis
   
Akute Monoarthritiden 
 

Wandernde Arthritiden 
 

Intermittierende Arthritiden 
Gelenkbefallsmuster

Gicht, Pseudogicht 
Septische Arthritis 
Arthritis bei Sarkoidose 
Virale Arthritiden (Röteln, Parvovirus B 19) 
Gonokokkenarthritis 
Rheumatisches Fieber 
Morbus Whipple 
Reaktive Arthritiden 
(pseudourethritisch, posenteritisch) 
Periphere Arthritis bei Spondylitis  ankylosans 
Psoriasis Arthritis 
Enteropathische Arthritiden 
HLA-B27-assoziierte juvenile Oligoarthritis 
ANA-positive juvenile Arthritis 
Systemischer Lupus erythematodes

 Literatur

  1. Herzer P (1993) Rheumatic manifestations in Lyme borreliosis. Clinics in Dermatology 11: 401 - 406
  2. Satz N (1992) Klinik der Lyme-Borreliose. Verlag Hans Huber, Bern Göttingen Toronto Seattle
  3. Schoen RT (1994) Identification of Lyme Disease. Rheum Dis Clin North America 20: 361 - 369
  4. Steere AC (1987) The clinical evolution of Lyme arthritis. Ann Intern Med 107: 725 - 731