1.4 Allgemeine Labordiagnostik

Labormedizinische Untersuchungsergebnisse sind wichtige Bausteine in der Diagnose entzündlicher und metabolischer rheumatischer Erkrankungen. Schwerpunkte dieser Diagnostik sind Die labormedizinische Diagnostik rheumatischer Erkrankungen orientiert sich an klinischen Leitsymptomen und Befundkonstellationen. Der diagnostische Wert der Untersuchungsergebnisse wird beurteilt an ihrer Sensitivität, Spezifität sowie an ihrem prädiktiven Wert. Die Interpretation der Resultate muß immer im Kontext mit klinischen und anderen Befunden erfolgen.

Nosologische Diagnostik

Für die nosologische Zuordnung rheumatischer Krankheitsbilder sind vor allem solche Laborparameter von Bedeutung, die mit der Ätiologie oder Pathogenese der Erkrankung in Beziehung stehen. Dem Nachweis von Infektionen, Autoimmunreaktionen (Autoantikörpern), immungenetischen Dispositionsfaktoren (HLA-B27), Kristallen und krankheitstypischen metabolischen oder endokrinologischen Störungen kommt hier eine besondere Bedeutung zu.
Nachweis auslösender Infektionen
Zur labormedizinischen Diagnostik entzündlich-rheumatischer Erkrankungen im Zusammenhang mit einer Infektion mit Bakterien, Viren, Pilzen oder Protozoen stehen der direkte (kulturelle) oder mikroskopische Erregernachweis, Nachweisverfahren von Erregerbestandteilen (Antigene, DNS) und der Nachweis einer Immunreaktion gegen bestimmte Infektionserreger (Antikörper) zur Verfügung. Hinweise für eine infektionsbedingte Genese einer Arthritis sind vorausgegangene Infektionen (Nasen-Rachenbereich, Magen-Darmtrakt, Urogenitaltrakt) oder Expositionen, Allgemeinsymptome (Fieber u.a.), typische extraartikuläre Symptome einer Infektionskrankheit (z.B. Erythema chronicum migrans) und infektionsverdächtige Lokalsymptome (z.B. akote Monarthritis u.a.).
Bei klinischem Verdacht auf eine infektiöse Gelenkerkrankung ist der direkte Erregernachweis im Gelenkpunktat oder Biopsiematerial mit mikrobiologischen Methoden (Kultur, mikroskopisch) entscheidend (aerobe und anaerobe Kultur, rascher Transport in Transportmedium). Hohe Leukozytenzahlen in der Synovialflüssigkeit (über 50.000 /µl) sind auf eine bakterielle Infektion hin verdächtig.
Die labormedizinische Diagnostik postinfektiöser arthritischer Syndrome (reaktive Arthritis bzw. Reiter-Syndrom, akutes rheumatisches Fieber, LymeBorreliose, Brucellose) ist in Tabelle 1 dargestellt. Erregernachweisverfahren (Kultur, Antigennachweis) und serologischer Nachweis einer vorausgegangenen Infektion sind von Bedeutung. Zum Zeitpunkt des Auftretens der Folgekrankheit (Arthritis u.a.) ist der Erregernachweis am Infektionsort nicht mehr regelmäßig positiv. Der serologische Infektionsnachweis gelingt zuverlässig meist nur wenige Wochen nach dem Auftreten der Arthritis. "Falsch positive" Ergebnisse aufgrund von Durchseuchungstitern (Salmonellen, Chlamydia trachomatis, Borrelia burgdorferi) sind nicht selten.
Rheumatische Manifestationen bei Virusinfekten sind meist milde und passager. Der Nachweis von IgM-Antikörpern gegen Hepatitis-B-Viren, Parvovirus B19, Rötelnviren u.a. ist diagnostisch wesentlich.

Tabelle 1. Labordiagnostik bei Verdacht auf postinfektiöse Arthritis
Klinischer Verdacht Erreger Nachweis von Erregern serologischer Infektionsnachweis
Reaktive Arthritis, Reiter-Syndrom (akute, Mon- oder Oligoarthritis Yersinien 
Salmonellen 
Shigellen
im Stuhl (evtl. Darmbiopsie): Kultur zur Zeit der Arthritis oft nicht mehr positiv (15-60%) Bakterienagglutinationstest (Widal) meist 8 bis 12 Wochen positiv, Shigellen-Serologie nicht Sinnvoll (bei Yersinien evtl. ELISA oder Immunblot, IgG-/IgA-Antikörper) 
Campylobacter jejuni im Stuhl (Kultur) Komplementbindungsreaktion (?)
Chlamydia trachomatis Urethral-/Zervix Abstrich 
Morgenurin [Männer] ( Kultur, Antigennachweis oder evtl rRNS-Nachweis***)
EIA*, IIFT**, ELISA, IgG- und IgA- Antikörper (häufig Durchseuchungstiter, Sensitivität ca 70%) 
Rheumatisches Fieber, Streptokokken-reaktive Arthritis ß-hämolysierende Streptokokken, Gruppe A Rachenabstrich (Kultur) 
in ca. 50% positiv
Antikörper gegen Streptolysin-O (~ 80%); DNase B, Hyaluronidase, Streptokinase, NADase (> 99% pos. bei kombinierter Testung)
Lyme Borreliose Borrelia burgdorferi ø (Kultur aus Synovialflüssigkeit negativ, evtl. Borrelien-DNS-Nachweis***) Elisa, Immunfluoreszenztest 
Immunblot (frühe Immunantwort IgM/IgG OspcC, p41[p41 int.] 
späte Immunantwort IgG, p100, p41 evtl. OspA, OspB) 
im Blut, evtl. Liquor cerebrospinalis
Brucella-Arthritis Brucella melitensis evtl. Blutkultur Bakterienagglutination 
Komplementbindungsreaktion
 * EIA = Enzymimmunoassay **IIFT = indirekter Immunfluoreszenztest *** = nach PCR-Anreicherung
 

Autoantikörper-Diagnostik
Der Nachweis von Autoantikörpern ist vor allem für die Diagnostik systemischer entzündlich-rheumatischer Erkrankungen wichtig. Autoantikörper sind mit zahlreichen klinisch definierten Krankheitsbildern eng assoziiert und teilweise Bestandteil diagnostischer Kriterienkataloge (Rheumatoide Arthritis, systemischer Lupus erythematodes, Sjögren-Syndrom). Der Nachweis von Rheumafaktoren (Anti-IgG-Fc-Antikörper) ist wichtig, aber nicht spezifisch für die Diagnose der Rheumatoiden Arthritis (ca. 80 % positiv), (s. Kapitel 3.1). Einzelne Autoantikörper sind Marker typischer klinischer Syndrome. Eine Übersicht über diagnostisch wichtige Autoantikörper gibt Tabelle 2.

Tabelle 2. Diagnostisch wichtige Autoantikörper bei systemischen entzündlichrheumatischen Erkrankungen
Verdachtsdiagnose Leitsymptome Screening-Test Marker-Antikörper gegen
SLE Schmetterlingserythem, Photosensibilität, diskoide LE-Läsion, LE-typische Organsymptome, Zytopenie 

Thrombose, rezidiv. Abort

ANA*-IIFT** 
(HEp-2-Zellen) 
(~ 98% positiv)
dsDNS 
Sm 
 
 

Phospholipid 
(- Proteinkomplex)

Sjögren-Syndrom SiccaSymptomatik, Leukozytopenie ANA-IIFT 
anti-SS-A
SS-A, SS-B 
(meist hoher Titer)
Mixed connective tissue disease Raynaud-Phänomen Sklerodermie, Lungenfibrose, Ösophagusmotilitätsstörung ANA-IIFT 
(100% positiv)
U1-n RNP 
(meist hoher Titer)
Systemische Sklerose Raynaud Phänomen 
Arthritis, Sklerodermie; geschwollene Hände
ANA-IIFT 
(>95% positiv)
DNS-Topoisomerase I 
Centromer, Fibrillarin 
PM-Scl 
RNS-Polymerase I und III
Poly-/ Dermatomyositis Muskelschwäche, CK-Erhöhung, Dermatitis (heliotrop: Gesicht, Hals, Hände u.a.) ANA-IIFT 
(ca. 60% positiv) 
Immundiffusionstest
Aminoacyl-tRNA-Synthetase (Jo-1 u.a.) 
SRP 
Mi-2
Wegener'sche Granulomatose Vaskulitische Hautveränderungen, Skleritis, Polyneuropathie, pulmonale Infiltrate, rapid progressive Glomerulonephritis u.a. Immunfluoreszenztest an neutrophilen Granulozyten 
(c-ANCA, p-ANCA)
Proteinase 3, Myeloperoxidase
*ANA = antinukleäre Antikörper   **IIFT =  indirekter Immunfluoreszenztest
 

Immungenetische Diagnostik
Immungenetische Merkmale (z.B. HLA-Antigene) sind Risikoindikatoren (Dispositionsmerkmale) zahlreicher entzündlich-rheumatischer Erkrankungen. Für die Diagnostik eignet sich nur die Untersuchung von HLA-B27, das bei der ankylosierenden Spondylitis in über 95 % der Patienten nachzuweisen ist. Der negative Befund bei einem Patienten mit Kreuzschmerzen schließt diese Erkrankung mit großer Wahrscheinlichkeit aus. Positive Befunde sind nur im Kontext typischer klinischer Symptome, z.B. einer ankylosierenden Spondylitis, einer reaktiven Arthritis oder eines Reiter-Syndroms, zu verwerten.

Die Untersuchung wird mit dem Mikrozytotoxizitätstest an isolierten Lymphozyten aus dem Blut oder einem ELISA zum Nachweis von löslichem HLA-B27-Antigen im Serum durchgeführt.

Diagnostik von Kristallarthropathien
Der Nachweis von Kristallen in Gelenkflüssigkeiten und im Gewebe wird vor allem mit polarisationsoptischen Methoden (unter Zuhilfenahme eines Rotkompensators) geführt. Jeder Gelenkerguß unklarer Ätiologie sollte auf Kristalle untersucht werden. Sorgfältige Durchführung (Vermeidung von Verunreinigungen) und Erfahrung in der Identifizierung von Kristallen sind Voraussetzung. Weiterführende labormedizinische Untersuchungen zur Erkennung zugrunde liegender Stoffwechselstörungen sind oft notwendig. Einen Überblick gibt Tabelle 3.

Tabelle 3. Kristalle in Gelenkflüssigkeiten und im Gewebe bei rheumatischen Erkrankungen
Vorkommen / Verdachtsdiagnose Kristall Nachweis
Harnsäuregicht (akute Arthritis urica, chronische tophöse Gicht) Mononatriumuratkristalle nadelförmig, stark negativ doppelbrechend, * oft intrazellulär
Pseudo-Gicht, pseudorheumatoide Form der Chondrokalzinose, aktivierte Arthrose u.a. Kalziumphosphatdihydrat meist rhombische Form, variable Größe, schwach positiv doppelbrechend*
kalzifizierende Periarthritis, Apatit-Arthropathie Basische Kalziumphosphate (Apatitkristalle) submikroskopische kleine Kristalle, nicht doppelbrechend (elektronenmikroskopischer Nachweis)
primäre Oxalose Kalziumoxalat plattenförmige Kristalle
keine pathogene Bedeutung, oft nachweisbar in älteren Gelenkergüssen oder Schleimbeuteln Cholesterin plattenförmige Kristalle (mikroskopisch)
* polarisationsmikroskopisch mit Hilfe eines Rotkompensators

Labormedizinische Entzündungsdiagnostik

Die labormedizinische Entzündungsdiagnostik im Blut erfolgt mit der Bestimmung der Blutsenkungsgeschwindigkeit als globalem Maß und der Messung der Konzentration von Akute-Phase-Proteinen, insbesondere des C-reaktiven Proteins, und der Immunglobuline. Das C-reaktive Protein ist wegen seiner Sensitivität und prozeßangepaßten Kinetik (Reaktionszeit 6-12 Stunden, kurze Halbwertszeit) am geeignetsten, Ausmaß und Verlauf der Entzündungsaktivität im Blut wiederzugeben. Immunglobuline, insbesondere IgG, sind bei vielen systemischen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen erhöht und ebenfalls ein Gradmesser der Krankheitsakvitität. Entzündungsbedingte Änderungen der Zellzahl von Blutbestandteilen sind für die Diagnostik von untergeordneter Bedeutung (Thrombozytose, Anämie, Leukozytose).
Die Diagnostik entzündlicher Veränderungen in der Synovialflüssigkeit umfaßt die Leukozytenzahl, insbesondere den Granulozytenanteil, den Gesamteiweißgehalt und evtl. die Bestimmung der Aktivität zytoplasmatischer (z.B. LDH) oder lysosomaler (z.B. saure Phosphatase) Enzyme.
Verminderungen der Aktivität des Komplementsystems (hämolytische Gesamtaktivität im Blut), der Konzentration einzelner Komplementkomponenten (C3c und C4) und der Konzentration ihrer Aktivierungsprodukte (C3d und C4d) sind für die Beurteilung der Krankheitsaktivität beim systemischen Lupus erythematodes und einzelnen Vaskulitisformen wesentlich.

Labormedizinische Diagnostik von Organmanifestationen

Bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen kann es im Rahmen extralokomotorischer Manifestationen zu einer Vielzahl von Schäden und Funktionseinschränkungen an Organsystemen kommen. Von Bedeutung sind insbesondere labormedizinische Parameter der Niere (Kreatinin, Urinstatus), der Leber (SGPT, cholestaseanzeigende Enzyme u.a.), der Skelettmuskulatur (Creatinkinase, Myoglobin), des Knochens (alkalische Phosphatase u.a.) und des Blutes (Leukozytopenie, Anämie, Thrombozytopenie).

Literatur

  1. Genth E (1993) Labormedizinische Diagnostik rheumatischer Erkrankungen. Internist 34: 817-824