3.7 Reaktive Arthritiden

Definition

Reaktive Arthritiden sind bakteriell induzierte Gelenkerkrankungen, die mit einer Latenzzeit von wenigen Tagen bis wenigen Wochen nach einer extraartikulären Infektion auftreten. Die auslösenden Erreger sind nicht aus der Synovia oder Synovialis anzüchtbar.
Die periphere Arthritis kann prinzipiell jedes Gelenk mit mon- oder polyartikulärem Befallsmuster betreffen, manifestiert sich aber überwiegend als asymmetrische Oligoarthritis mit bevorzugtem Befall der unteren Extremität. Das Reiter-Syndrom (Arthritis, Urethritis, Konjunktivitis) stellt in der Regel eine spezifische Manifestationsform reaktiver Arthritiden dar. Rein spondarthritische Verläufe sind möglich, in die Definition jedoch derzeit noch nicht eingeschlossen.

Diagnostische Kriterien

International akzeptierte Kriterien gibt es noch nicht, entsprechende Vorschläge werden jedoch von verschiedenen Gremien erarbeitet.
Die Diagnostik der reaktiven Arthritiden stützt sich in erster Linie auf die Anamnese einer vorausgegangenen Infektion und einen typischen Gelenkbefall sowie ggf. auf extraartikuläre Manifestationen im Sinne eines Reiter-Syndroms. Die ätiologische Sicherung dieser Diagnose ist nur durch den Direktnachweis des Erregers möglich. Da die auslösende Infektion asymptomatisch sein kann und auch der direkte Nachweis des Erregers im Stadium der Arthritis oft nicht gelingt, muß der Nachweis der Infektätiologie evtl. indirekt auf serologische Befunde gestützt werden. Die Sensitivität und Spezifität der verschiedenen serologischen Methoden ist jedoch unbefriedigend; daher können nur 4-fache Titeranstiege als signifikant gewertet werden. Ein negativer serologischer Befund schließt die Diagnose einer reaktiven Arthritis nicht aus. Der Nachweis des HLAB27 kann nur als ein Indiz für eine reaktive Arthritis gelten.
 
Vorschlag diagnostischer Kriterien mit einer Unterscheidung zwischen sicherer und wahrscheinlicher reaktiver Arthritis 
  1. Typischer Gelenkbefall (peripher, asymmetrisch, oligoartikulär, untere Extremität, insbesondere Knie-, Sprunggelenke). 
  2. Typische Anamnese (Diarrhoe, Urethritis) und/oder klinische Manifestation der Infektion an der Eintrittspforte. 
  3. Erregerdirektnachweis an der Eintrittspforte (z. B. Urethralabstrich auf Chlamydien). 
  4. Nachweis spezifischer agglutinierender Antikörper mit signifikantem Titeranstieg (z. B. gegenüber enteropathischen Erregern). 
  5. Vorliegen des HLA-B27-Antigens. 
  6. Nachweis von Erreger-Material mittels Polymerase-Kettenreaktion oder spezifischen monoklonalen Antikörpern (beide sind noch überwiegend experimentelle Verfahren und nicht für die Routinediagnostik geeignet!). 
 
Eine sichere reaktive Arthritis liegt vor bei den Kriterien 1 plus 3 oder 4 oder 6. Eine wahrscheinliche reaktive Arthritis besteht bei den Kriterien 1 plus 2 und/ oder plus 5. Eine mögliche reaktive Arthritis wird bei Vorliegen des Kriteriums 1 angenommen.

Erreger

Klinische Merkmale

Neben den klinischen extraartikulären Manifestationen der Konjunktivitis und Urethritis gibt es weitere Manifestationen wie Iridozyklitis, Stomatitis, Balanitis circinata, pustulöse Dermatosen, Keratoderma blennorrhagicum, Erythema nodosum, Myokarditis, Aortitis.

Differentialdiagnose

Bei unsicheren Diagnosekriterien, d. h. insbesondere bei fehlendem Erregernachweis und fehlender Anamnese einer vorausgegangenen typischen Infektsymptomatik, ist eine Vielzahl von Differentialdiagnosen zu erwägen, die mit einer ähnlichen Gelenksymptomatik einhergehen können:

Rheumatisches Fieber

Von der Pathogenese her erfüllt auch das heute extrem selten auftretende Rheumatische Fieber die Definition der reaktiven (= Sonderfall der Streptokokken-reaktiven) Arthritis. Bei entsprechendem Verdacht ist, wie in Kapitel 1.4 ausgeführt, ein Rachenabstrich (Kultur) und der serologische Infektions- nachweis durch Bestimmung der verschiedenen Streptokokkenantikörper indiziert, dessen positiver Ausfall für die Diagnose entscheidend ist. Die heute immer noch gültigen klinischen diagnostischen Kriterien nach Jones umfassen als wichtigste (Major-) Manifestationen die Karditis, Polyarthritis, Chorea, das Erythema marginatum und die typischen subkutanen Knoten; Minormanifestationen sind Fieber, Arthralgien und frühere Episoden des gleichen Krankheitsbildes.

Literatur

  1. Aho K, Leirisalo-Repo M, Repo H (1985) Reactive arthritis. Clin Rheumat Dis 11: 25 - 40
  2. Fan PT, Yu DTH (1993) Reiter's syndrome. In: Schumacher RD (ed) Primer on the Rheumatic Diseases, Arthritis Foundation, Atlanta, Georgia pp 158 - 161
  3. Inman RD (1993) Reactive arthritis after infectious enteritis. In: Schumaeher RD (ed) Primer on the Rheumatic Diseases, Arthritis Foundation, Atlanta, Georgia pp 166 - 168